Was passiert, wenn Eltern sich trennen?
Sind Eltern gemeinsam Inhaber der Sorge und trennen sie sich, so
besteht die gemeinsame Sorge fort, gleichgültig ob sie verheiratet
sind oder nicht.
Eine gerichtliche Prüfung und Entscheidung über die elterliche
Sorge erfolgt – von Fällen der Kindeswohlgefährdung abgesehen –
nur in den Fällen, in denen ein Elternteil einen Antrag auf Zuweisung
der Alleinsorge stellt. Einem solchen Antrag ist stattzugeben,
wenn und soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen
Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem Wohl
des Kindes am besten entspricht.
Auch bei einer Scheidung wird also nur dann über die elterliche
Sorge entschieden, wenn ein Elternteil dies beantragt. Andernfalls
besteht die gemeinsame elterliche Sorge fort.
Gemeinsame elterliche Sorge auch nach Trennung und Scheidung –
kann das funktionieren?
Viele Eltern sind in der Lage, ihre Konflikte, die sie als Paar austragen,
von ihrer Elternschaft zu trennen. Wenn die Eltern zur
Kooperation bereit und fähig sind, ist die gemeinsame Sorge der
geeignete Rahmen zur Ausübung ihrer gemeinsamen Verantwortung
für das Kind auch über Trennung und Scheidung hinaus. Dem
Kindeswohl dient die gemeinsame elterliche Sorge, wenn sie funktioniert,
am besten. Erzwungene Gemeinsamkeit kann dem Kind
jedoch mehr schaden als nützen. Deshalb sollten Eltern ihre Entscheidung
für oder gegen eine gemeinsame elterliche Sorge genau
abwägen.
In die Abwägung einbeziehen sollten sie dabei, dass der gemeinsamen
elterlichen Sorge in der Wissenschaft durchaus positive
Wirkungen beigemessen werden. Nach einer vom Bundesministeriums
der Justiz in Auftrag gegebenen Untersuchung kann die gemeinsame
Sorge zu einer besseren Kommunikation und Kooperation
getrennt lebender Eltern beitragen. Soll die gemeinsame Sorge
funktionieren, müssen die Eltern in den Angelegenheiten des Kindes
miteinander und nicht gegeneinander handeln. Zudem ergab
die Untersuchung einen Zusammenhang zwischen der Zuordnung
der elterlichen Sorge und den Kontakten des Kindes zu beiden
Elternteilen. Die Zahl der Elternteile, die nach Trennung und Scheidung
den Kontakt zu ihrem Kind verloren, war bei den Eltern geringer,
die nach ihrer Trennung die gemeinsame Sorge fortführten.
Wie finden Eltern die für ihr Kind am besten geeignete Lösung?
Steffen und Alice wollen sich scheiden lassen. Sie überlegen,
welche Regelung der Sorge für ihre Kinder Sören und Sophie am
besten geeignet ist.
Welche Möglichkeiten haben sie?
Die Eltern stehen bei der Suche nach der für ihr Kind am besten
geeigneten Regelung der Sorge nicht allein. Sie haben Anspruch
auf Beratung durch das Jugendamt, das sie bei der Entwicklung
eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen
Sorge unterstützt. Diese Beratung bieten auch freie Träger der
Jugendhilfe, etwa kirchliche oder gemeinnützige Einrichtungen an.
In die Beratung wird auch das Kind eingebunden. Damit den Eltern
dieses Angebot bekannt gemacht wird, informieren die Gerichte
die Jugendämter über scheidungswillige Eltern. Nach Eingang
des Scheidungsantrags bei Gericht wird sich deshalb das Jugendamt
von sich aus an Steffen und Alice wenden und sie über dieses
Beratungsangebot der Jugendhilfe unterrichten.
Wie geht das Scheidungsverfahren im Blick auf die Kinder weiter?
Wollen Steffen und Alice die gemeinsame Sorge beibehalten, so
hört sie das Gericht zur elterlichen Sorge an und weist auf bestehende
Möglichkeiten der Beratung durch die Beratungsstellen und
Dienste der Träger der Jugendhilfe hin. Eine Entscheidung zur elterlichen
Sorge trifft das Gericht nicht.
Beantragt Alice oder Steffen die Übertragung der Alleinsorge auf
sich, so hört das Gericht das Kind persönlich an, wenn entweder
dessen Neigungen, Bindungen oder Wille für die Entscheidung
von Bedeutung sind, oder es sonst erforderlich erscheint, dass sich
das Gericht von dem Kind einen unmittelbaren Eindruck verschafft.
Auch das Jugendamt wird durch das Gericht angehört.
Angenommen Alice beantragt die Übertragung der Alleinsorge auf
sich, so hängt die Entscheidung des Gerichts zunächst davon ab, ob
Steffen der Übertragung zustimmt.
Stimmt nämlich Steffen zu, so überträgt das Gericht – vom Fall der
Kindeswohlgefährdung abgesehen – die Alleinsorge auf Alice, es sei
denn, dass das Kind das vierzehnte Lebensjahr vollendet hat und
der Übertragung widerspricht.
Stimmt Steffen nicht zu, so überträgt das Gericht dann die Alleinsorge
auf Alice, wenn und soweit zu erwarten ist, dass die Aufhebung
der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf Alice dem
Wohl von Sören und Sophie am besten entspricht.
Müssen getrennt lebende Eltern alles gemeinsam entscheiden?
Steht Eltern die gemeinsame Sorge für ihr Kind zu und leben sie
nicht getrennt, so müssen sie versuchen, sich in allen die elterliche
Sorge betreffenden Fragen zu einigen.
Leben sie getrennt, so müssen sie das nur in den Fragen tun, deren
Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist. Bei allen
Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens hat der
Elternteil, bei dem das Kind lebt, ein Alleinentscheidungsrecht.
Anja und Jan-Christoph leben mit ihrem gemeinsamen Sohn Max
zusammen. Sie haben Sorgeerklärungen abgegeben. Als Max 10
Jahre alt ist, trennen sie sich. Max lebt nun bei Anja und sieht Jan-
Christoph am Wochenende. Max möchte wöchentlich einmal bei
dem örtlichen Fußballverein das Training besuchen. Jan-Christoph
meint, Max solle sich ausschließlich auf die Schule konzentrieren
und wendet sich dagegen. Wenn überhaupt, sei Tennis die geeignete
Sportart für Max.
Wer darf entscheiden?
Anja sagt, das sei eine Entscheidung des täglichen Lebens, so dass
sie allein entscheiden darf. Nach dem Wortlaut des Gesetzes sind
das solche Entscheidungen, die häufig vorkommen und die keine
schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des
Kindes haben. Jan-Christoph meint, wer einmal mit einem Hobby
anfange, höre oft so schnell nicht mehr damit auf. Deshalb seien
die Auswirkungen der Entscheidung nur schwer abzuändern.
Anja hat Recht.
Max kann das Training jederzeit wieder aufgeben. Deshalb sind
die Auswirkungen nicht, wie Jan-Christoph meint, schwer abzuändern.
Die Entscheidung, ob ein Kind das eine oder andere Hobby
aufnimmt, ist im Leben des Kindes häufig zu treffen.
Max hat die Voraussetzungen für den Wechsel in das Gymnasium
gerade noch geschafft. Nach Ansicht von Anja ist das Gymnasium
jedenfalls derzeit noch zu schwierig für ihn. Jan-Christoph möchte,
dass Max in das Gymnasium wechselt.
Darf Anja wieder allein entscheiden?
Die Frage, welche Schullaufbahn ein Kind einschlägt, ist eine
weichenstellende Entscheidung im Leben des Kindes, die auch
nur schwer abzuändernde Auswirkungen auf das weitere Leben
des Kindes hat. Jan-Christoph darf deshalb mitentscheiden und
beide müssen versuchen, sich zu einigen.
Was passiert, wenn sich beide nicht einigen können?
In diesem Fall kann das Gericht die Entscheidungsbefugnis für
diese Angelegenheit einem Elternteil übertragen.
... und wenn die Streitigkeiten kein Ende nehmen?
Dann können Anja oder Jan-Christoph jederzeit bei Gericht
den Antrag stellen, ihr oder ihm die Alleinsorge zu übertragen.
Das Gericht überträgt die Alleinsorge einem Elternteil, wenn
der andere Elternteil zustimmt oder wenn zu erwarten ist, dass
die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf
den Antragsteller oder die Antragstellerin dem Wohl des Kindes
am besten entspricht. Das gilt auch nach der Scheidung, wenn
die Eltern zunächst die gemeinsame elterliche Sorge beibehalten
wollen und deshalb im Scheidungsverfahren keine Anträge zur
elterlichen Sorge gestellt haben.