Was passiert, wenn das Kind den Umgang nicht will?
Nach der Scheidung von Steffen und Alice leben die gemeinsamen
Kinder Sören und Sophie bei der Mutter Alice. Steffen und Alice
haben vereinbart, dass Steffen die Kinder an jedem zweiten Wochenende
abholt und etwas mit ihnen unternimmt. Die fünfjährige
Sophie ist zwar im Prinzip gern bei ihrem Vater. Sie merkt aber,
dass ihre Mutter immer traurig wird, wenn der Vater sie abholt und
wenn sie der Mutter von den Besuchen beim Vater erzählt. Deshalb
erklärt sie, sie wolle den Vater nicht mehr sehen.
Entfällt das Recht von Steffen auf Umgang mit seiner Tochter
Sophie, wenn Sophie den Umgang ablehnt?
Das Umgangsrecht eines Elternteils entfällt nicht allein deshalb,
weil das Kind sich gegen den Umgang ausspricht.
Bei einer gerichtlichen Regelung des Umgangsrechts sind der Wille
des Kindes im Rahmen seines wohlverstandenen Interesses und
das Interesse des umgangsberechtigten Elternteils gegeneinander
abzuwägen. Je älter das Kind ist und je weiter seine Persönlichkeitsentwicklung
fortgeschritten ist, desto größeres Gewicht wird seinem
Willen beigemessen.
Insbesondere bei jüngeren Kindern, die zu einer eigenen, abgewogenen
Willensbildung noch nicht fähig sind, ist es grundsätzlich
die Pflicht des Elternteils, bei dem das Kind lebt, erzieherisch auf
das Kind einzuwirken und es zu ermutigen, den Kontakt zum umgangsberechtigten
Vater oder zur umgangsberechtigten Mutter
zu pflegen.
Im vorliegenden Fall hat Alice die Aufgabe, Sophie zu ermutigen,
den Vater zu besuchen, und sie zu fragen, warum sie den Vater
nicht besuchen möchte. Erzählt Sophie der Mutter dann, warum sie
den Vater nicht sehen will, kann die Mutter versuchen, sie zu beruhigen.
Sie kann Sophie z.B. sagen, dass sie zwar traurig ist, dies
sei aber normal, und dass sie sich trotzdem freue, wenn Sophie sich
mit ihrem Vater gut versteht.